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von Walter Bajc
Die Berge sind vielfältig. Manche sanft und mit dichter Vegetation überwuchert, andere steil und schroff und wieder andere ragen hoch hinauf und sind dem entsprechend kalt und abweisend, aber jede Art hat auf seine Weise etwas Anziehendes.
Die „Bergsteigerei“ ist ebenso vielfältig. Daher gehe ich genau so gerne wandern wie klettern und nun ist wieder einmal etwas Höheres angesagt. So machte ich mich Anfang Juli mit Kollege Ludwig auf nach Chamonix. Es ist mein ich weis nicht mehr wievielter Anlauf, um im Montblancgebiet etwas zu unternehmen wobei der Montblanc nie das eigentliche Ziel war, sondern mich andere Unternehmungen wesentlich mehr reizten. Schlechtwetter, Autopannen und Ausfall des Partners verhinderten bisher eine Tour in dem Gebiet.
1. Juli 2008: Dent du Geant
Wigg und ich betreiben Höhenanpassung auf die harte Art. Von Chamonix geht’s mit der Aiguille du Midi Seilbahn bis auf 3850m. Herrliches, wolkenloses Wetter. Während wir aber mit der Panoramabahn zur Turinerhütte weiterfahren zieht es von Italien herauf zu. Auf der Seilbahnstation müssen wir den Weg zur Hütte erst erfragen, weil sie, obwohl nur wenige Minuten entfernt, nicht zu sehen ist. Das Warten und Zeit totschlagen auf der Hütte geht uns bald auf den Geist. Um 10:30 ziehen wir durch den Nebel los und folgen einer Spur Richtung Dent du Geant. Langsam lichtet sich der Vorhang und schemenhaft ist der Riesenzahn zu erkennen. Nach 2½ Stunden haben wir den Sockel, von uns Zahnfleisch genannt, hinter uns gebracht und stehen vor dem Gipfelaufbau. Leider haben sich mittlerweile dunkle Wolken hinter dem Montblanc gebildet, die nichts Gutes verheißen. Daher schnell ab in die Kletterschuhe, Querung in die SW- Flanke und die ersten Seillängen hinter uns gebracht. Ab der „Burgenerplatte“ ist der Anstieg mit dicken Perlonseilen versichert. Manchen Kletterern sind diese Taue ein Dorn im Auge. Auch ich würde im Normalfall eine freie Kletterei vorziehen, aber mit dem Gewitter im Nacken nehme ich die Hilfe dankbar an und hangle mich so schnell wie möglich, Seillänge um Seillänge, empor. Am Gipfel angekommen rumort es in der Ferne bereits kräftig, daher treten wir sofort den Rückweg an.
Es ist kaum zu glauben, aber auf diesen a…..glatten Platten verfängt sich doch tatsächlich das Seil beim Abseilen. Also muss ich noch einmal mehrere Meter hinauf, das Seil lösen und das ganze wieder Abklettern. Wertvolle Zeit geht damit verloren. Das Gewitter hält sich Gott sei Dank drüben am Montblanc. Endlich am Sattel angekommen befreien wir uns vom Kletterzeug, springen in Bergschuhe und Steigeisen und ab so schnell wie möglich in tiefere Regionen. 10 Minuten vor der Hütte beginnt es zu nieseln, 5 Minuten vor der Hütte zu regnen, kaum haben wir die Hüttentür hinter uns geschlossen blitzt und kracht es und wenig später liegt bereits frischer Schnee auf unserer Spur.
2. Juli 2008: Rochefortgrat
Es ist 4 Uhr morgens und – sternenklar. Da helfen keine Ausreden wie zu viel Neuschnee oder so ähnlich um länger schlafen zu können. Also auf, kurz frühstücken und Abmarsch. Noch einmal geht’s über das Zahnfleisch hinauf zum Frühstücksplatz wo der Rochefortgrat beginnt. Zwei Bergführerpartien sind vor uns die dankenswerterweise den Weg spuren.
Der Grat selbst zieht sich als schmale, teilweise überwechtete Schneide zur Aiguille de Rochefort. Oftmals ist der First so scharf geschnitten, dass man keine zwei Füße nebeneinander setzen kann. Ein Ausrutschen oder Stolpern hätte hier fatale Folgen, da es beidseitig mehrere hundert Meter steil in die Tiefe geht. Dem entsprechend vorsichtig bewegen wir uns auch. Am Gipfelaufbau schinden sich mittlerweile die Guides mit ihren Gästen ab. Dort drüben sind nämlich die Felsen mit Eis und Schnee überzogen und entsprechen schwierig zu begehen.
Leichtsinniger weise haben wir beim morgendlichen Aufbruch einen Großteil unserer Kletterausrüstung zurückgelassen und mussten nun feststellen, dass wir zur Sicherung nur zwei 6mm starke Reepschnüre dabei haben. Ein kurzes Stück quere ich noch in die schneebedeckte Felsflanke hinein um dann aber festzustellen das mir der Weiterweg ohne verlässliche Sicherungen doch zu riskant ist. Schweren Herzens kehren wir deshalb kurz unter der Aiguille de Rochefort um. Als Trost bleibt uns die Weisheit das „ein wirklich guter Bergsteiger nicht überall hinaufkommt aber dafür weis, wenn er umkehren muss“. Der traumhafte Grat war aber auf jeden Fall eine Begehung wert. Während des Abstieges ist nochmals volle Konzentration notwendig, was gar nicht so leicht fällt in Anbetracht der grandiosen Bergkulisse. Zum greifen nahe der Deant du Geant, und direkt gegenüber der Montblanc und viele andere berühmte, geschichtsträchtige Berge wie Grand Capucin oder Teufelsgrat. Mit der Seilbahn geht’s schließlich wieder zurück nach Chamonix.
3./4./5. Juli 2008: Montblanc
Wenn man nun schon einmal vor Ort ist und nichts besseres zu tun hat ist es naheliegend auch dem „Monarchen“ seine Referenz zu erweisen. Da der Wetterbericht für den folgenden Tag nicht so gut ist, anschließend aber durchaus vielversprechend klingt, entscheiden wir uns für „Plan A“. = Aufstieg bis zur Tete Rousse Hütte, dort Übernachtung, am nächsten Tag Aufstieg zum Gipfel und Längsüberschreitung zur Aiguille du Midi. Der Wettergott meint es aber nicht gut mit uns – Regen am Morgen, Regen während der Fahrt nach Les Houches, Regen während der Auffahrt zum Nid de Aigle. Dort beginnt es regelrecht zu schütten und wir flüchten in die neu erbaute Hütte um eine längere Regenpause abzuwarten. Als es um 19 Uhr immer noch regnet disponieren wir um auf „Plan B“ = Übernachtung im Adlernest, morgen Aufstieg zur Gouter Hütte, Übernachtung (die wir uns eigentlich ersparen wollten) und anschließend die Überschreitung.
Am nächsten Morgen herrlichstes Wetter. Wir haben jede Menge Zeit und steigen gemütlich zur Gouter Hütte auf. Die berüchtigte Querung des Grand Couloir stellt sich als harmlos heraus, ebenso der weitere Anstieg über die Felsrippe, da diese teilweise mit neuen Stahlseilen versichert wurde. Bereits nach 3½ Stunden erreichen wir die Hütte. Kurz kommt die Überlegung auf, ob wir nicht noch gleich auf den Gipfel gehen sollen, aber für die Überschreitung ist es leider zu spät. Die Hütte selbst ist natürlich hoffnungslos überbelegt und so bleibt uns ein Nachtlager auf einer Bank in der Gaststube nicht erspart.
Endlich wird es 1 Uhr früh und leben kommt in die Hütte. Die Nacht war zum vergessen – saukalt und unbequem – wir haben beide keine Sekunde geschlafen. Kurz vor 3 Uhr stellen wir uns bei sternklarem Himmel in die lange Schlange und beginnen den Aufstieg zum Montblanc. Es scheint ein wunderschöner Tag zu werden aber bald kommt ein unangenehmer Wind auf und es beginnt sich einzutrüben. Mir ist kalt, möchte gerne schneller gehen, ein Ausqueren aus der Spur bringt aber nichts, erst oben am Dome du Couter kommen wir an den langsameren Seilschaften vorbei und es geht etwas rascher vorwärts.
Mittlerweile ist starker Nebel eingefallen. Uns nur an den Spuren orientierend geht’s an der Vallot- Hütte vorbei zum Bossesgrat. Der Wind hat sich mittlerweile immer weiter gesteigert und man muss schon aufpassen, dass einen die Sturmböen nicht aus der Spur blasen. Die ersten Seilschaften verzichten auf den Gipfel und kommen uns bereits wieder entgegen. Manchmal blinzelt die aufgehende Sonne durch die Wolken und gibt uns Hoffnung um dann innerhalb weniger Sekunden wieder zu verschwinden.
Nach 3¾ Stunden stehen wir schließlich auf 4807m Höhe. Vor uns geht es rundherum nur mehr bergab- wir sind am höchsten Punkt angelangt. Für Ludwig bereits das 6.- für mich das 1. mal. Das Wetter scheint sich zwar zu bessern, aber wir trauen dem Frieden nicht (zu Recht wie sich später herausstellen soll). Immer noch ziehen dicke Wolken unter uns vorbei und verhüllen sowohl Mont Maudit als auch den Montblanc du Tacul. So entschließen wir uns auf die Längsüberschreitung zu verzichten und widmen uns „Plan C“ = Abstieg entlang der Aufstiegsroute. Bereits um 9 Uhr sind wir zurück beim Refuge de Gouter, kurze Pause und dann weiterer Abstieg ins Tal. Während wir zu Mittag am Nid de Aigle auf die Zahnradbahn warten, ziehen dunkle Wolken über den Gipfelbereich und fern ist leises Gewittergrollen zu hören. Wir sind uns einig. Auch diesmal haben wir die richtige Entscheidung getroffen.