von Walter Bajc
Nach einigen Jahren, in denen ich andere alpine Ziele verfolgt habe, ist es wieder einmal an der Zeit den Dolomiten einen Besuch abzustatten. Die Gelegenheit ist insofern günstig da mein Kletterpartner frei hat und außerdem den Drang verspürt, nicht nur „sport zu klettern“ (wo er bereits sehr gut ist), sondern sich auch der alpinen Herausforderung zu stellen. Während einer kurzen Schönwetterperiode machen wir uns daher auf den Weg um einige Dolomiten-Klassiker zu begehen.
Unser erstes Ziel ist der Rosengarten. Von Pera aus geht’s zuerst mit dem Bus hinauf zur Cardecciahütte und von dort zu Fuß weiter bis zur Gartlhütte. Dichte Nebelschwaden ziehen immer wieder durch die Gegend, innerlich bin ich mir nicht ganz sicher ob das Wetter am nächsten Tag auch halten wird.
Ich habe mich getäuscht! Traumhaftes Wetter erwartet uns, deshalb ziehen wir gleich los um der „Delagokante (IV+)“ am gleichnamigen Turm einen Besuch abzustatten. Da ich die Tour schon kenne überlasse ich meinem Kletterpartner gerne die Führung. Es ist kaum zu glauben, aber an diesem Tag sind wir in der sonst überlaufenen Route die einzige Seilschaft. Bereits nach etwas mehr als einer Stunde sind wir am Gipfel. Eine längere Pause gönnen wir uns nicht sondern seilen gleich über die Abseilpiste hinunter. Der Grund ist nahe liegend, kommt man doch dabei unmittelbar am Einstieg zur „Fehrmann (IV+)“ am Stabelerturm vorbei. Sechs weitere Seillängen und 1½ Stunden später richten wir uns am Gipfel für eine weitere Abseilfahrt her. Auf der uns bereits bekannten Piste rutschen wir zum Wandfuß hinunter und queren zum Einstieg des nächsten Klassikers. Der „Winklerriss (IV)“ steht am Programm. Eine Route die bereits 1887 von Georg Winkler im Alleingang erstbegangen wurde. Für mich (der ich auch in den oberen Graden unterwegs bin) eine der größten Leistungen der alpinen Geschichte und durchaus eine Herausforderung (wer es nicht glaubt soll die Route einmal selbst klettern, und sich 1. dabei gut anhalten und 2. über den Wagemut von damals staunen). So stehen wir schließlich auch noch am dritten der Vajolett- Türme, dem Winklerturm. Zufrieden seilen wir entlang der Aufstiegsroute wieder ab und machen uns anschließend an den langen Fußmarsch hinunter ins Tal.
Ein neuer Tag, ein neues Ziel. Obwohl uns der Vortag noch in den Knochen sitzt machen wir uns auf den Weg, um am 2. Sellaturm die „Kasnapoff (V+)“ zu klettern. In der Nacht hat es geregnet, der Fels ist noch nass, trotzdem steigen wir ein. Zwölf Seillängen durchwegs schöne Kletterei warten auf uns, wenn auch die Wegfindung nicht immer ganz einfach ist (unser Topo stimmte leider nicht) und die Zwischenhaken nicht leicht zu finden sind. Zum Glück haben wir ein Sortiment an mobilen Sicherungsmitteln dabei, den Bohrhaken sucht man vergebens. Nach dem langen Aufstieg folgt noch ein unangenehmer Abstieg über ein schuttbedecktes, ausgesetztes Steiglein, garniert mit leichten Kletter – und Abseilstellen.
Dritter Tag unser Ausfahrt. Wir bleiben in der Sella und klettern am 1. Sellaturm den „Trenkerriss (V-)“. Auch diese Route kenne ich bereits. War sie vor 25 Jahren schon rundpoliert und abgeschmiert ist sie in den Jahren verständlicherweise nicht besser geworden, mit ausgefeilter Technik aber immer noch sehr gut kletterbar. Ein Großteil der Begeher quetscht sich in den Riss hinein und macht sich damit selbst das Leben schwer. Weit ausspreitzend und auch kleinere Griffe und Tritte benutzend macht die Tour immer noch Spaß. Leider nur bis zur letzten Seillänge. Ein rasch herbeiziehendes Gewitter überrascht uns kurz vor dem Ausstieg. Für meinen Kletterpartner ist die letzte Länge im Regen und Graupelschauer kein wirkliches Problem, das Seil nachziehen auf Grund der großen Reibung bringt in aber ganz gehörig ins schwitzen.
Während des Abstieges scheint bereits wieder die Sonne, trotzdem fahren wir noch am selben Tag hinüber auf den Falzaregopass. Was machen Kletterer am liebsten (dumme Frage)? Natürlich klettern. So steigen wir noch am Abend in die „S- Kante (IV+)“ vom Hexenstein ein und genießen die ansonsten überlaufene Route gänzlich allein und stressfrei im Abendlicht.
Vierter Tag. Der Wetterbericht verheißt wieder mal nichts Gutes. Wir suchen uns daher ein Ausweichziel und finden es in der „Südkante (IV+)“ des kleinen Falzaregoturms. Leider sind diesmal auch andere Seilschaften auf die gleiche Idee gekommen, der Andrang hat sich aber als gar nicht so störend ausgewirkt. Mein Kletterpartner und ich genießen den festen Fels in Wechselführung und spulen so eine Länge nach der anderen herunter. Der Abstieg vom Torre Piccola führt unmittelbar am Einstieg der „Westwand (IV)“ vom Torre Grande vorbei. Eigentlich haben wir die Tour nicht eingeplant, aber wenn man schon mal da ist und das Wetter doch zu halten scheint – na ja, in Gottes Namen. Auch hier erwartet uns wieder fester Fels und schöne Kletterstellen. Einzig unsere Ausstiegsvariante ist etwas brüchig, dafür stecken aber auch keine Haken! Während des Abstieges beginnt es leicht zu regnen und fernes Donnergrollen kommt immer näher, doch wieder erwarten kommen wir fast trocken am Auto an.
Vier Tage – 8 Klettertouren. Wir können beide mehr als zufrieden sein. Mein Kletterpartner, weil er sicher und umsichtig geklettert ist, die teils komplizierten Abstiege souverän hinter sich gebracht und somit seine Bewährungsprobe in den Dolomiten hervorragend gemeistert hat. Ich, weil obiger Kletterpartner mein Sohn Johannes ist und solche Touren in einer Vater- Sohn- Seilschaft schon etwas Besonderes sind.