Traunstein SW- Wand Luftikusvon Walter BajcTraunstein SW- Wand Luftikus 6 (5+A0)
Vorgeschichte: An einem schönen Spätherbsttag nutzten Johannes und ich noch einmal die Gelegenheit etwas klettern zu gehen. Aus Zeitmangel fiel unsere Wahl auf den Traunstein. Das Sanduhrenparadies schien uns ob des kurzen Zu- und Abstieges als die richtige Wahl. Wir kletterten flott dahin, eine tschechische Seilschaft wurde zügig überholt und das Ende der Schwierigkeiten rasch erreicht wo Johannes an einem Baum den letzten Standplatz baute. Während er mich nachsicherte geschah das kaum Nachvollziehbare. Einer der am Sitzgurt befestigten nagelneuen Zustiegsschuhe machte sich selbstständig und auf den Weg nach unten. Sch. . . . . ! Natürlich machten wir uns an die Suche, seilten 60m die Wand hinunter aber weit und breit keine Spur vom Schuhwerk. Beim Wiederaufstieg fiel mir allerdings der, leider grasdurchsetzte, aber durchaus feste, plattige Fels auf. Etwas frustriert seilten wir über die „wer putzet“ ab, suchten die Stubbüchse in dem Bereich sowie die steile Wiese neben dem Stubbüchsenpfeiler ab. Nichts war zum Entdecken, dafür fanden wir eine Schwachstelle durch die steile Wand die den Weg nach oben ermöglichen könnte. Ein letzter Rundblick bevor wir den Abstieg antraten und – beinahe wäre ich über den ausgebüchsten Schuh gestolpert. Freudig machten wir uns an den Heimweg. Hannes weil er wieder komplett ausgestattet war, ich, weil ich die Möglichkeit einer leichten, genussvollen Kletterroute sah.
Hauptgeschichte: Der Gedanke lies mich nicht mehr los. Ende November packten Sibylle und ich Doppelseil, Bohrmaschine, Hammer und Bohrhaken in die Rucksäcke und stiegen zuerst über den Naturfreundesteig auf und über den oberen SW_ Grat wieder ab bis wir zum bewusstem Baum gelangten. Bedächtig seilten wir die erste Länge ab, prüften dabei das Gestein auf Haltbarkeit und die ersten kleineren und größeren Brocken nahmen ihren unfreiwilligen Weg nach unten. Schnell wurde ein Stand gebohrt und die Haken miteinander verbunden. Den oberen Teil kannte ich ja schon, ab jetzt betraten wir Neuland. Hier bekamen wir einen Vorgeschmack der Arbeit die wir uns anfingen. Die Felsen waren zwar Großteils von sehr guter Qualität aber leider auch stark bewachsen. Beim entfernen (Umweltschützer bitte wegschauen) einzelner Grasbüschel, Wurzeln und Sträucher förderten wir allerdings auch erstaunliches zu Tage. Armdicke Sanduhren, kleine Kanten hervorragend als Tritte benutzbar, große Löcher in denen eine ganze Hand verschwindet, Risse voller Griffe – unser Entschluss stand fest. Es zahlte sich aus in diese Wand zu investieren. Am Ende des Tages hatten wir nicht nur alle Zwischenstände gebohrt, sondern auch den ungefähren Routenverlauf festgelegt. Das Fieber hat mich gepackt. Allerdings kann einem bei dieser Krankheit kein Arzt helfen. Ein Medikament gegen den Virus „Kletterroute erschließen“ gibt es noch nicht. Bereits am nächsten Tag war ich wieder, diesmal allerdings alleine, unterwegs. Die Hilti blieb diesmal zu Hause, dafür waren neben dem Hammer allerhand Gartengeräte wie Säge, Schaufel und Minikrampen dabei. Systematisch wurde das Gelände „durchforstet“, ein Großteil der losen Steine entfernt und die ungefähren Positionen der Zwischensicherungen festgelegt. Dabei wurde schnell klar, dass nicht jedes Steinchen aus dem Weg geräumt werden kann. Ist aber auch nicht notwendig, schließlich handelt es sich um keinen Klettergarten sondern um alpines Gelände. Hier erlaube ich mir eine persönliche Anmerkung. Wer einmal eine der vielgepriesenen neuen Routen am Gardasee klettert, wird rasch merken, dass dort jede Menge Geröll herumliegt – und keiner stößt sich daran! Mehrere Stunden habe ich an diesem Tag in der Wand verbracht. Die Schultern schmerzten von den ständigen Hammerschlägen, die Unterarme verkrampft, Blasen an den Händen, meine ohnehin stark mitgenommene Wirbelsäule schmerzte vom langen Sitzen im Klettergurt, auf und auf dreckig von feinem Erdstaub der ständig auf mich herab rieselte. Aber ich war zufrieden. Die oberen drei Längen waren schon in einem ganz passablen Zustand und aus den unteren Längen die größten losen Blöcke entfernt. Eine Schlechtwetterfront mit viel Regen und Schneefall lies in der Wand die Winterruhe einkehren. Der Winter war in diesem Jahr hartnäckig. Zu einem Gut für die zahlreichen Schitouren, andererseits kribbelte es schon mächtig in den Fingern. Erst Anfang April war es soweit, das wir wieder in die Wand konnten. Mit schwerem Gepäck, Doppelseil + langem Einfachseil, Putzgeräte, Bohrmaschine und 60 Bohrhaken ging es den bereits bekannten Weg hoch. Diesmal spielte Sibylle den „Putzteufel“, hämmerte, sägte und kratzte die Erde aus den Rissen während ich die notwendigen Zwischensicherungen anbrachte, wobei es mir in erster Linie auf eine vernünftige Absicherung ankam um auch etwas weniger versierten Kletterern eine Begehung zu ermöglichen. Die unteren Längen verlangten noch einmal Schwerarbeit. Stellen die ursprünglich als sehr kompakt erschienen erwiesen sich leider als hohl, Klemmblöcke die sich zueinander verkeilt hatten mussten vorsorglich entfernt , die Verschneidung vom Gesträuch befreit und geputzt werden. Die Route befand sich nun endlich in einem einigermaßen kletterbaren Zustand. 16.4.2013: Sibylle und ich machen die erste Begehung, checken die einzelnen Längen, überlegen uns noch allfällige Änderungen und zeichnen das erste Topo. Aber noch sind wir nicht ganz zufrieden. Ein weiteres Mal steigen wir noch hinauf. Die Einstiegsseillänge , ursprünglich nicht vorgesehen, kommt noch dazu, die Schlüsselstelle wird von splittrigen Fels befreit und ein zusätzlicher Haken gebohrt. Fertig! Viele Stunden Mühe, Schweiß und Fleiß haben wir in diese Tour investiert. Wir hoffen, dass sich die Arbeit gelohnt hat und die Route Anklang in der Klettergemeinschaft findet.
Endergebnis:
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